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Meine
Erinnerung ist, daß wir an diesem Montag, ein typischer Wintertag mit
dickem grauen Nebel, eine Sitzung des Runden Tisches hatten und uns
am späten Nachmittag die Nachricht erreichte, es komme zu Unruhen und
Zwischenfällen in der Normannenstraße, wir müßten sofort dorthin. Ich
kam ungefähr zwischen 17.00 und 18.00 Uhr dort an und stand dann mit
anderen in einer ziemlich großen Menge vor verschlossenen Toren.
Als
sie das Tor öffneten wurde ich vom Sog der in den Gebäudekomplex
drängenden Menschen mit fortgerissen. Die Stimmung der Leute war
keineswegs aggressiv, sie war eher aufgedreht und von der Situation
überwältigt. Zu Anfang war ich mit in dem Komplex, in dem Speisesäle
und Kantinen waren. Dort lag malerisch einiges verstreut, aber ich
konnte die einzelnen Leute, die sich dort zu schaffen machten, auch
nicht identifizieren. Nach einiger Zeit, es mag so gegen 21.00 Uhr
gewesen sein, geriet ich dann, in ein anderes Gebäude, wo eigentlich
nur ab und an einer durch die Gänge lief. Nirgends waren Wachposten zu
sehen, und das ganze Haus war nur durch eine Art Notbeleuchtung
erhellt.
Dort
traf ich Carlo Jordan, einen langjährigen Mitstreiter aus der
DDR-Opposition. Er war es, der mir dann sagte, daß wir hier irgendwie
in der Zentrale seien. Und als wir um eine Ecke bogen, stießen wir auf
einen sehr freundlich und ruhig wirkenden Herren, der überhaupt nicht
aufgeregt war. Er stellte sich als "Herr Engelhardt" vor und sagte, er
sei hier gewissermaßen der Diensttuende, er kenne uns und es wäre doch
ganz gut, daß wir uns auf diese Art treffen würden. Wir waren so
verblüfft und überrascht, daß wir uns von ihm mit in ein Zimmer nehmen
ließen. Das Büro wurde nur von einer Schreibtischlampe beleuchtet. In
einem Fernsehgerät lief eine Sondersendung der "Aktuellen Kamera" über
die Besetzung der Stasi-Zentrale. Er holte dann Wodka hervor, und wir
tranken. |